Selterser Gemeindewald

Von Frank Zabel und Kay Ungeheuer

Käferholzsituation

Die vergangenen beiden Jahre haben unserem Gemeindewald erheblich zugesetzt. Durch den Sturm Friederike am 18.01.2018 wurden vor allem die Fichtenbestände aufgerissen und destabilisiert. Der dem Sturm folgende Jahrhundertsommer 2018 mit seiner monatelang anhaltenden Dürreperiode hat zu einer Borkenkäfermassenvermehrung (Buchdrucker und Kupferstecher) bisher nicht gekannten Ausmaßes in ganz Mitteleuropa geführt, die den bereits durch Friederike geschädigten Fichtenbeständen sehr stark zusetzte. Leider folgte ein weiterer, sehr trockener Sommer in 2019, so dass sich die Borkenkäferkalamität weiter fortsetzte. Durch die extrem hohe Käferpopulation ist davon auszugehen, dass auch 2020 mit weiteren erheblichen Massen an Käferholz zu rechnen ist.

Frage: Warum wird der Käfer denn nicht mit Borkenkäferfallen bekämpft?

Obwohl gutgemeint, hat die sehr kostenintensive, vornehmlich in den 80er und 90er Jahren durchgeführte Bekämpfung mit Pheromonfallen keinen nachweisbaren Einfluss auf den Borkenkäferholzanfall, da höchstens nur rund 30 % der ausfliegenden Käfer gefangen werden können.

Um es noch etwas anschaulicher zu machen:

In einer Pheromonfalle fängt man in einer Woche (je nach Zahl der fliegenden Borkenkäfer) zwischen 5.000 und 15.000 Käfer. Zum Vergleich: In einem Käferbaum mit einem Brusthöhendurchmesser von 30 cm entwickeln sich dagegen in der gleichen Zeit ca. 60.000 Borkenkäfer.

Die Borkenkäferfalle ist folglich kein Fangautomat. Heute wird sie fast ausschließlich als Monitoringinstrument zur Dokumentation des Flugverlaufs und zur Bestimmung der Käferanzahl eingesetzt.

Abbildung 1: Borkenkäferholz an wiederhergestelltem Waldweg am Liewersberg (Haintchen)

Forsteinrichtungsbedingt hat die Gemeinde Selters (Taunus) einen Hiebsatz von rund 7.281 EFm jährlich (davon Fichte = 3.189 EFm).

Im Jahr 2018 wurden windwurf- und käferholzbedingt insgesamt 10.932 EFm (Erntefestmeter) Fichtenholz eingeschlagen. 2019 betrug der Einschlag von befallenem und trockenem Fichtenkäferholz dann nochmals 19.509 EFm und 2020 (Stand: 07.04.2020) wurden bisher bereits 11.204 EFm eingeschlagen. Seit 18.01.2018 wurden also insgesamt windwurf- und käferholzbedingt rund 41.645 EFm an Fichtenholz eingeschlagen.

Instandsetzung von Waldwegen

Abbildung 2: Instandgesetzter Erdweg entlang des Schul- und Herrnwaldes (Eisenbach) an der Grenze zum Hof zu Hausen

Seit 2014 wurde das teilweise marode Waldwegenetz sukzessive erneuert. So wurden nach dem Unwetterereignis 2016 rund 24 km Waldwege wiederinstandgesetzt und sämtliche fehlenden und beschädigten Durchlässe erneuert.

Durch die umfangreichen Holzrückearbeiten sind Schäden an Erdwegen, Waldwegen und Banketten leider unvermeidbar. Nach erfolgter Holzabfuhr werden die entstandenen Schäden selbstverständlich beseitigt und die betroffenen Waldwege wiederinstandgesetzt. Bei den Wiederherstellungsarbeiten werden insbesondere auch die unbefestigten Erdwege mitberücksichtigt. Sie werden derzeit in sämtlichen Gemarkungen abgeschoben. Wir bitten um Ihr Verständnis durch eventuell entstandene Unannehmlichkeiten.

Holzmarkt und Einnahmesituation

Das Windwurfereignis Friederike vom 18. Januar 2018 in Verbindung mit dem darauffolgenden Jahrhundertsommer mit verheerenden Trockenschäden und der Borkenkäfermassenvermehrung sowie dem damit einhergehenden Überangebot an Fichtenholz hat zu einem nachhaltigen Holzpreisverfall geführt. Die Preise sind seit dem 18.01.2018 (Windwurf Friederike) um rund 50 % gefallen. Zudem hat die Corona-Pandemie zu einer weiteren Stagnation der Nachfrage geführt. Von einer Erholung der Holzmarktsituation ist also frühestens 2021 auszugehen.

Die mit der starken Schädigung der Fichtenbestände einhergehenden Vermögensschäden am Waldbestand werden zukünftig erhebliche Mindereinnahmen im Forsthaushalt zur Folge haben.

So konnte in den Jahren 2014-2017 ein nachhaltiger Reingewinn von durchschnittlich 153.596 €, bei einem jährlichen Hiebssatz von durchschnittlich 7.108 EFm, aus dem Wald erwirtschaftet werden. 2018 fiel dieser allerdings, trotz des käferholzbedingt immens erhöhten Hiebssatzes von 12.898 EFm, auf 130.415 €. Obwohl z. T. corona-bedingt bisher noch nicht alle Förder-Einnahmen aus 2019 eingegangen und verbucht worden sind, rechnen wir mit einem Reingewinn 2019 nach Abzug sämtlicher Kosten von rund 91.000 €. – Allerdings bei einem käferholzbedingten Hiebssatz von über 22.882 EFm.

Frage: Warum wird denn noch gesundes Laubholz eingeschlagen, obwohl doch so viel Käferholz eingeschlagen wurde?

Durch das lange Leben der Bäume spielen bei der Waldbewirtschaftung sehr lange Zeiträume eine große Rolle. Grundlage jeder professionellen Waldbewirtschaftung ist ein Forsteinrichtungswerk. Das Forsteinrichtungswerk ist ein gesetzlich vorgeschriebener 10-Jahres-Betriebsplan, in dem jede Unterabteilung gesondert erfasst und hinsichtlich Behandlungsweise, Zuwachs, Hiebsatz etc. detailliert beplant wird. Der 1.065 ha große Selterser Gemeindewald ist übrigens in 422 Unterabteilungen unterteilt.

Betrachten wir bspw. den Liewersberg in Haintchen: Die mit Fichte bestockte Unterabteilung 101A1 musste aus Waldschutzgründen (Käferholz) komplett gerodet werden. Angrenzend befindet sich in UAbt. 101B1 ein 25-jähriger Eichenbestand, der, laut Forsteinrichtung, geläutert werden muss. D. h. die besten und vitalsten Bäumchen sind zu fördern, indem die stärksten Konkurrenten entnommen werden. Auf der anderen Seite des Weges befindet sich ein 170-jähriger Eichenbestand (UAbt. 103B1). Die alten, auch naturschutzfachlich wertvolleren Eichen werden von den wesentlich jüngeren 125-jährigen Buchen bedrängt und sukzessive zum Absterben gebracht. Laut Forsteinrichtung ist die Buche zurückzudrängen. Beide Pflegemaßnahmen sind wirklich sinnvoll und sollten auch unbedingt durchgeführt werden.

Man erkennt, dass man die verschiedenen Waldbereiche nicht einfach über einen Kamm scheren kann, sondern den Wald sehr differenziert und vor allem waldbestandsweise betrachten und behandeln muss.

Freiflächenproblematik

Abbildung 3: Durch Aufarbeitung des Käferholzes entstandene mehrere Hektar große Freifläche im Hinterwald (Niederselters)

Wie an den teilweise mehrere Hektar großen, durch die Käferholzaufarbeitung entstandenen Freiflächen zu erkennen ist, sind sämtliche mit der Baumart Fichte bestockten Waldflächen in allen Gemarkungen stark geschädigt und teilweise komplett zerstört. Insgesamt wurden rund 250 ha Waldfläche, also fast ein Viertel des 1.065 ha großen Gemeindewaldes, durch Trockenheit und Borkenkäfer zerstört.

In der Gemarkung Eisenbach sind die Waldbezirke Schulwald, Herrnwald, Struth und Haag am stärksten von den sog. neuartigen Waldschäden betroffen. In der Gemarkung Haintchen sind es Mühlschlag, Liewersberg, Jungblech, Koberg, Suder, Hebenberg, Petersplatz, Blumenstück und Herrnwäldchen, in der Gemarkung Münster Kohlwald, Erdbeerenwäldchen, Königsheck, Gauchwald und Wehrholz und in der Gemarkung Niederselters Eiserne Hand, Armstahl, Hinterwald, Ölkaut und Winterholz.

Natürliche Verjüngung und Wiederaufforstungen

Der Großteil der schadhaften Fichtenbestände wird voraussichtlich Ende dieses Jahres aufgearbeitet sein. In den kommenden Jahren muss das Augenmerk nun klar auf der Wiederbewaldung der geschädigten Bestände liegen. Hier ist jetzt Augenmaß gefragt. Wesentliches Ziel ist die Schaffung eines standortgerechten, stabilen und gesunden Waldes, der sowohl den ökologischen als auch den klimatischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird.

Abbildung 4: Wald der Zukunft – 2020 neu begründete Traubeneichen-Hainbuchen- Elsbeerenkultur in der Königsheck (Münster); hier: frisch austreibende Elsbeere

Dabei muss vor Beginn der detaillierten Kulturplanung jede Freifläche genau danach beurteilt werden, ob eine Wiederbewaldung mit Naturverjüngung möglich ist oder vielleicht bereits geschieht. Nach den Windwurfereignissen „Kyrill“ (2007) und „Xynthia“ (2010) konnte man vielfach beobachten, dass sich Freiflächen oftmals über standortsangepasste Naturverjüngung selbständig wiederbewaldet haben. Hier ist selbstverständlich von einer künstlichen Verjüngung (Wiederaufforstung) abzusehen.

Die Freiflächen, auf denen die natürliche Verjüngung allerdings über mehrere Jahre aufgrund von Vergrasung oder Verbuschung ausbleibt, sollen dann ab Frühjahr 2021 sukzessive wiederaufgeforstet werden. Hier gilt es, auf standortsangepasste (autochthone), wärmeliebende Baumarten zu setzen. Auch die Waldästhetik ist zu berücksichtigen. Bspw. könnte hier die Anpflanzung von Wildobstarten entlang der Waldwege zielführend sein.

Um die nachhaltige Ausrichtung der Gemeinde Selters (Taunus) weiterhin zu betonen und dabei vor allem nicht die klimatischen Entwicklungen außer Acht zu lassen, sollen ausschließlich standortsangepasste Laubholzmischbestände und Laubholz-Nadelholz-Mischbestände angepflanzt werden.

Insbesondere soll hier die Pflanzung von Traubeneichen-Hainbuchen- Mischbeständen mit Wildobstarten (Elsbeere, Holzbirne, Holzapfel) in Kombination mit Europäische Lärchen-Douglasien-Mischbeständen ggf. mit Großer Küstentanne und Weißtanne ins Auge gefasst werden.

Die sukzessive Wiederaufforstung der entstandenen Freiflächen wird in den kommenden 10-15 Jahren einen wesentlichen Bestandteil der Waldbewirtschaftung darstellen.

Wiederbewaldung und Naturschutz – Eine Chance für mehr Diversität

Die Wiederbewaldung kann man auch als Chance ansehen. Nun bietet sich die Möglichkeit, einen klimaangepassten Wald mit hohem Naturschutzwert zu gestalten.

Vor jeder Aufforstungsmaßnahme gilt es dabei, Standort und Biotop genau zu untersuchen. Jetzt ist es möglich, auch wertvolle Biotope in die zukünftigen Waldbestände sinnvoll miteinzuflechten. So können Blühflächen im Wald entstehen, die später als Biotop für unsere heimischen Insekten fungieren. Entlang der zu begründenden Kulturflächen können, zum Schutze unserer Vogelwelt, Waldinnenränder aus heimischen Straucharten entstehen. In feuchten Bereichen können Himmelsteiche für Amphibien angelegt und entlang der Wege könnten seltene Wildobstarten angepflanzt werden. All dies ist zukünftig möglich und soll bei der Wiederbewaldung unbedingt Berücksichtigung finden.

Ausblick – Wald der Zukunft

Fast ein Viertel des 1.065 ha großen Gemeindewaldes wurden, bedingt durch das Dürrejahr 2018, durch Trockenheit und Borkenkäfer zerstört. Über 250 ha Freiflächen werden nach Beendigung der Borkenkäferholzaufarbeitung entstanden sein. Sie müssen jetzt sukzessive wiederbewaldet werden. Die Wiederbewaldung sollte, wenn möglich, über Naturverjüngung geschehen. Vergraste Flächen, die sich nicht selbst wiederbewalden, sollen in den nächsten 10 bis 15 Jahren sukzessive, möglichst mit heimischen und klimaangepassten Baumarten wiederaufgeforstet werden. Wärmeaffine heimische Baumarten sind aufgrund der vorherrschenden Klimaveränderungen zu bevorzugen (z. B. Traubeneiche-Hainbuche-Elsbeere usw.). Es sollen möglichst föderfähige Laubholz- und Laubholz-Nadelholz-Mischbestände begründet werden. Insgesamt kann die nun anstehende Wiederbewaldung als Chance gesehen werden, die ehemals monotonen Fichtenbestände in einen klimaangepassten ökologisch wertvollen diversifizierten Mischwald umzubauen. Wertvolle Biotope (Blühflächen, Streuobstwiesen, Himmelsteiche, etc.) können nun sinnvoll in die neu entstehenden Mischbestände integriert werden.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, den Grundstein für einen gesunden und ökologisch wertvollen Wald für kommende Generationen zu legen. Packen wir‘s an!

Eine Bürgerpflanzaktion ist für diesen Herbst geplant. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

Forstservice Taunus, Mai 2020 im Auftrag der Gemeindeverwaltung Selters (Taunus)