„Politische Korrektheit“ oder „political correctness“ war ursprünglich ein wertneutraler Begriff der liberalen Studentenschaft in Kalifornien, welcher aber seit den 1990er Jahren von Neokonservativen und Neuen Rechten erfolgreich – und in Umkehrung seiner ursprünglichen Bedeutung – als Schlagwort für ein vermeintliches und subjektiv empfundenes Verbot der Äußerung einer – von der vermuteten Mehrheit – abweichenden Meinung, verwendet wird. Er unterstellt, dass all jene, die politisch vermeintlich unkorrekt argumentieren, von der Mehrheit unterdrückt werden und stilisiert sie somit durch die bloße Äußerung ihrer in- oder unkorrekten Ansichten wahlweise zum Renegat, zum Verfechter der freien Rede oder gar zum Hüter der Meinungsfreiheit. Dem ist aber nicht so.

In Deutschland ist das, was man sagen darf, durch das Gesetz definiert. Und dieses lässt bewusst ein hohes Maß an Redefreiheit zu – aus gutem Grund. Von daher ist die meist theatralisch oder augenzwinkernd einfließende Bemerkung „man sei jetzt mal politisch inkorrekt“ (ebenfalls beliebt: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“) schiere Augenwischerei und Selbstbeweihräucherung. Man sagt einfach nur seine Meinung, nicht mehr und nicht weniger. Das kann eloquent oder plump, auf Fakten basierend oder an den Haaren herbeigezogen, verständlich oder wirr, passend oder unpassend sein. Aber es ist nichts anderes als die schlichte, eigene Sicht der Dinge. Und wenn dann Widerspruch kommt, liegt es meistens daran, dass der Gesprächspartner eben eine andere Auffassung hat. Falls besonders viele Menschen eine andere Auffassung haben, dann ist man mit seiner Meinung eben in der Minderheit oder steht vielleicht sogar alleine da. So ist das halt manchmal im Leben und in Demokratien. Mit Unterdrückung hat das nichts zu tun.

Ich denke, man sollte den Neokonservativen und Neuen Rechten nicht bedenkenlos in die Karten spielen, indem man die von ihnen umgedeuteten Begrifflichkeiten ohne Not übernimmt.

Sprache ist nicht statisch, sie entwickelt sich, sie lebt. Wörter verschwinden, werden aus anderen Sprachen integriert, erhalten eine neue Bedeutung. Eine gewisse Achtsamkeit, welchen – bisweilen gut versteckten – tiefergehenden Hintergrund die Verwendung mancher Begriffe in einem bestimmten Umfeld hat, kann dazu beitragen, Sternbergers „Wörterbuch des Unmenschen“ nicht um weitere Vokabeln zu bereichern.

Spannend ist die Frage, ob und wie es gelingen kann, sinnverschlechternd umgedeutete Wörter durch bewusste Verwendung in einem bejahenden Kontext wieder zu „neutralisieren“ oder gar positiv zu besetzen, also quasi „umzudrehen“ und zu „resozialisieren“. Ob das in einem politischen Diskurs überhaupt möglich sein kann, wenn der Begriff erst einmal „verbrannt“ ist, scheint mir fraglich. Es wäre aber sicherlich ein Prozess, der sich mindestens über eine Generation, wenn nicht länger, erstrecken müsste.

Von Lo Siegmund

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