Info- und Gesprächsabend der UWE am 01.07. zum Wandel bei der Begräbniskultur

In der Gemeinde Selters sind – wie vielerorts – die „klassischen“ Beerdigungen in Doppelgräbern seit Jahren stark rückläufig. Es ist festzustellen, dass sich der Umgang mit dem Thema „Tod“ in der letzten Zeit nachhaltig geändert hat. Der Wunsch nach alternativen Begräbnisformen hat zugenommen. Einerseits ist dies der Tatsache geschuldet, dass Kinder und Enkel von Verstorbenen häufig gar nicht mehr in der Gemeinde wohnen und deshalb auch nicht die Grabpflege übernehmen können, andererseits will auch die Generation der heutigen Senioren ihren Nachkommen immer öfter eine intensive Grabpflege gar nicht mehr zumuten. Ferner ist, auch aus Kostengründen, der Trend zu Urnenbestattungen ungebrochen. Dies erfordert ein Umdenken bei der Begräbniskultur – auch seitens der Gemeinde.

(v.l.n.r.: Lo Siegmund (Moderator), Bernd Hartmann (Bürgermeister Selters), Nils Hartmann (Leiter Ordnungsamt Selters), Marc Schrott (Jagdpächter), Alexander Collée (Runkel) und Sabrina Eggert (Treuhandstelle Hessen-Thüringen)

Um es allen interessierten Einwohnern der Gemeinde Selters zu ermöglichen, sich über die Varianten alternativer Bestattungsformen informieren und den Fachleuten Fragen stellen zu können, veranstalteten die Unabhängigen Wähler Eisenbach (UWE) einen Gesprächs- und Informationsabend, an dem die Möglichkeit bestand, in einen direkten Austausch zu treten. Als Gäste begrüßte Moderator und Ortsvorsteher Lo Siegmund unter anderem: Bernd Hartmann (Bürgermeister Selters (Taunus)), Nils Hartmann (Leiter Ordnungsamt der Gemeinde Selters), Alexander Collée (Abteilungsleiter Standes-, Ordnungs- und Einwohnermeldeamt der Stadt Runkel) sowie Sabrina Eggert (Prokuristin der Treuhandstelle für Dauergrabpflege Hessen-Thüringen) und Marc Schrott (Jagdpächter in Eisenbach) in den Räumen der Theaterfreunde Eisenbach (ehem. Kindergarten).

Über 60 interessierte Zuhörer aus allen Ortsteilen der Gemeinde Selters waren erschienen.

Nach der Begrüßung der Anwesenden durch den Vorsitzenden der Unabhängigen Wähler Eisenbach, Jürgen Hundler, übernahm Lo Siegmund die Moderation des Abends. Nachdem er die Podiumsgäste vorgestellt und die im Auditorium anwesenden Fraktionsvorsitzenden von UWE (Schorsch Horz) und den Freien Wählern Selters (FWS, Evelyn Schütz) sowie seinen Kollegen, Ortsvorsteher Michael Clauss (Niederselters, CDU) begrüßt hatte, übergab er das Wort an Bürgermeister Bernd Hartmann, der die bisherige Entwicklung in der Gemeinde Selters skizzierte: Bei einer Ortsbegehung mit dem Ortsbeirat auf dem Friedhof im Ortsteil Eisenbach im Sommer 2018 nahmen über 30 interessierte Bürgerinnen und Bürger teil. Die Einrichtung eines Memoriam-Gartens war vielen Beteiligten ein Anliegen. In der Gemeindevertretung wird aktuell ferner ein Antrag diskutiert, die Einrichtung eines Ruhewaldes zu prüfen und geeignete Standorte zu definieren. Auf Einladung der Gemeinde wurde am 2. April 2019 der Waldfriedhof in Runkel-Ennerich und am 2. Mai 2019 der Memoriam-Garten in Wallmerod besichtigt. Gemeindevertreter und Bürgerinnen nutzten die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild von den schönen Anlagen zu machen. Außerdem stehen in der Gemeinde in nächster Zeit Grabräumungen in erheblichem Umfang an, beginnend im Ortsteil Haintchen, da die Liegezeit abgelaufen ist.

Anschließend stellte Frau Eggert das Konzept eines Memoriam-Gartens vor. Ein individuell gestaltetes Grab gehöre mit zu den wichtigsten Orten für die Trauerverarbeitung um einen geliebten Menschen, so Frau Eggert. Auch wenn es den meisten Hinterbliebenen wichtig ist, diesen Ort zu haben, können oder wollen viele von ihnen die aufwändige und langfristige Grabpflege nicht übernehmen. Zur Bundesgartenschau in Schwerin 2009 wurde ein solcher „Memoriam-Garten“ erstmals gestaltet, bepflanzt und den Besuchern präsentiert. Inzwischen gibt es in Deutschland sehr viele Memoriam-Gärten auf kommunalen und kirchlichen Friedhöfen. Integriert in diesen Garten sind Urnen- und Erdbestattungsplätze sowie verschiedene Formen der Bestattung vom Einzelgrab bis zum Partnergrab. In einem Memoriam-Garten wird jeder Verstorbene bei seinem Namen genannt. Das bedeutet, dass kein Verstorbener anonym beerdigt wird. Kunstvolle oder schlichte (je nach Wunsch) Grabmale tragen den Namen des Verstorbenen. Die Grabpflege wird von Friedhofsgärtnern übernommen, d.h. mit dem Erwerb der Nutzungsrechte schließen die Hinterbliebenen einen Dauergrabpflegevertrag ab. Kleine Arbeiten am Grab oder Trauergaben sind nach Absprache natürlich möglich. Die Grabanlage wird von den Friedhofsgärtnern gestaltet und gepflegt. Grundsätzlich gilt dennoch die Friedhofssatzung der Gemeinde. Die Gesamtkosten für die Gestaltung und Pflege beginnen ab ca. 2.000 EUR für ein Urnengrab mit gemeinschaftlichem Gedenkstein und einer Liegezeit von beispielweise 25 Jahren und reichen bis zu 10.000 Euro für eine Erdbestattung mit saisonaler Bepflanzung. Hinzu kommen die Bestattungskosten laut Friedhofssatzung. Damit ist diese Form vielfach sogar günstiger als eine traditionelle Erdbestattung.

Herr Collée von der Stadt Runkel stellte das Konzept des Ruhewaldes in Ennerich vor. Dieser sei aus einer Idee heraus geboren worden und wurde sofort bestens angenommen. Viele „Auswärtige“ seien dort bestattet, lediglich 15% seien Runkeler. Nachdem ein geeignetes Waldstück gefunden wurde, sei die Umsetzung schnell realisiert worden. Wege wurden angelegt und verdichtet, das Gelände durch einen Zaun abgegrenzt. Parkplätze stünden durch die nahegelegene Sportanlage zur Verfügung, es gäbe aber keine zusätzlichen Toiletten. Der Waldfriedhof befindet sich in einem Teil des Runkeler Stadtwaldes und hat einen Bestand aus Eichen und Buchen. An einem selbst ausgewählten Baum wird eine Urne mit der Asche des Verstorbenen beigesetzt. Man kann zwischen Einzel- und Partnerbäumen, Familien- oder Freundschaftsbäumen sowie Gemeinschaftsbäumen wählen. Die Liegezeit variiert zwischen 30 und 99 Jahren. Außerdem gibt es „Regenbogenbäume“ für Föten und Neugeborene. Herr Collée betonte, dass die Beerdigung im Ruhewald ein besonderes Einvernehmen mit der Natur darstellt. Daraus resultiert, dass Grabbeigaben, die nicht biologisch abbaubar sind, durch den Bauhof entfernt werden. Nicht nur der Moderator musste ein paarmal schlucken, als Herr Collée erwähnte, dass man bei Kindergräbern ein bisschen darüber hinweg sehen würde und einen Teddybären, der an einem Baum lehne, manchmal etwas länger sitzen ließe. Der Grundbetrag für eine Beisetzungsstelle an einem Gemeinschaftsbaum beläuft sich auf 450 EUR, für einen Familien- oder Freundschaftsbaum mit bis zu 12 Beisetzungsstellen und 99 Jahre Laufzeit fallen aktuell 5.500 EUR an. In dem Wald sei Platz für rund 30.000 Urnen.

Herr Schrott (Jagdpächter Eisenbach) führte aus, dass „Wald“ durchaus nicht „Wald“ sei und viele unterschiedliche Kriterien berücksichtigt werden müssten. So gebe es Rückzugs- und Äsungsgebiete für Wild und die Situation im Ortsteil Eisenbach mit seinem großen Rotwildbestand, der bis nach Haintchen und teilweise auch Münster reiche, sei eine besondere. In seinem charmant vorgetragenen Plädoyer betonte Herr Schrott, dass das bislang für einen Ruhewald favorisierte Waldstück an der „Hessenstraße“ ungeeignet sei, da dort die Gefahr bestünde, dass der ohnehin schon rege Wildwechsel über die Fahrbahn –  der bereits tödliche Unfälle verursachte – weiter zunimmt, wenn das Wild durch vermehrte Störungen zusätzlich beunruhigt wird. Auf die Frage des Moderators, ob er denn ein geeignetes Waldstück als alternative Lösung für einen Standort vorschlagen könne, sagte Herr Schrott: „Nein, das kann ich nicht. Ich kenne nur die Wälder rund um Eisenbach und Haintchen, da ist das meines Erachtens nicht möglich, denn das Wild hat dort seine ganz spezifischen Rückzugsgebiete. Wie es in Niederselters aussieht, weiß ich nicht.“ Eine erfrischend ehrliche und konkrete Aussage.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet. Eine „Testabstimmung“ zum Ende der Veranstaltung ergab, dass etwa 2/3 der anwesenden Gäste eine Bestattung in einem Memoriam-Garten bevorzugen würden und 1/3 die Möglichkeit einer Waldbestattung in Betracht zieht. Moderator Lo Siegmund wies darauf hin, dass diese Abstimmung aber keineswegs repräsentativ sei. Gegen 21.00 Uhr bedankte sich Lo Siegmund bei den Podiumsteilnehmern mit einem kleinen Präsent, wünschte allen Anwesenden einen guten Heimweg und beendete die spannende und nicht ganz einfache Diskussion.