Keller unter Wasser, Klimawandel und Blühwiesen.
Öffentliche UWE-Mitgliederversammlung am 27.08. im ehemaligen Rathaus Eisenbach mit dem Schwerpunkt Hochwasserschutz in Selters (Taunus)
Unter dem Motto „Hochwasserschutz: wie geht es weiter?“ hatte UWE zu einer öffentlichen Mitgliederversammlung am Montagabend in das Alte Rathaus in Eisenbach geladen. Die Stühle reichten kaum aus, etwa 50 interessierte und betroffene Bürgerinnen und Bürger nahmen die Chance wahr, an diesem Abend den Ausführungen von Gastreferent Benjamin Zabel (Leiter Bauamt der Gemeinde Selters (Taunus)) und der Moderation von Jürgen Hundler (Mitglied des Gemeindevorstands und Vorsitzender UWE) zu folgen und ihre Fragen zu diesem sensiblen Thema stellen zu können.
Mit einer Verspätung von etwa 5 Minuten, die aufgrund des großen Andrangs notwendig wurde (es mussten noch Stühle gestellt werden), eröffnete Jürgen Hundler die Sitzung, zu der ausdrücklich alle interessierten Bürgerinnen und Bürger – nicht nur Mitglieder von UWE oder Sympathisanten – eingeladen waren. Jürgen Hundler sagte in seiner Begrüßungsrede: „ich bin glücklich und überrascht, dass so viele Menschen die Gelegenheit nutzen, sich vor Ort zu informieren und unserer Einladung gefolgt sind“. Weiter betonte er, dass diese Einladung für alle Mitgliederversammlungen gelte und dies keineswegs eine einmalige Aufforderung sei, UWE habe sich Bürgerbeteiligung auf die Fahne geschrieben und freue sich über alle Anwesenden bei öffentlichen Mitgliederversammlungen, egal welcher politischen Couleur.
UWE hatte nach den Starkregenereignissen 2016 in Selters durch Schorsch Horz einen informativen Austausch der Eisenbacher Bürgerinnen und Bürger über Schäden an Gebäuden und deren Behebung sowie Geltendmachung von finanziellen Hilfen initiiert. Außerdem wurde über die UWE-Mitglieder in den gemeindlichen Gremien (Gemeindevorstand, Gemeindevertretung, Ausschüsse und Ortsbeirat) die Problematik immer wieder thematisiert und eine Lösung durch Schaffung von Rückhalte- und dezentralen Regenwasser-Versickerungsarealen sowie einer Anpassung der Querschnitte der Kanalisation gefordert.
„Es gilt, die Natur vor unserer Haustür auch für nachfolgende Generationen zu erhalten“, so der Vorsitzende der UWE in seiner Einleitung, „aber auch die Werte und Bauten, die wir geschaffen haben, zu schützen“. Danach übergab Hundler das Wort an Bauamtsleiter Benjamin Zabel.
Benjamin Zabel bedankte sich zunächst für die Möglichkeit, vor interessierten Bürgerinnen und Bürgern Informationen direkt weitergeben zu können und zur Aufklärungsarbeit einen Beitrag zu leisten. Anschließend ging er auf die Starkregenereignisse von 2016 mit Niederschlagsmengen von bis zu 80l/qm ein. Das Problem sei, dass solche lokalen Unwetter kaum vorhergesagt werden könnten und damit die Vorwarnzeit extrem kurz ist. Als Beispiel nannte Zabel die Anschaffung einer Hochwasserschutzwand der Gemeinde Selters (Taunus) für den Emsbach, die innerhalb von 2-3 Stunden aufgebaut werden könne, dies setze aber entsprechende Vorlaufzeiten voraus. Diese wären bei solch überraschenden Wetterlagen nicht gegeben.
Dennoch leiste die Gemeinde gute Arbeit bei der Hochwasserprävention. So würden seit 2016 regelmäßig durch den Bauhof die Banketten abgeräumt, damit Wasser sich rechts und links der Wege flächenhaft verteilen und versickern könne. Dies sei bei etwa einem Drittel von ca. 190 km Feldwegen innerhalb der Gemarkung nötig. Da sich das Bankett ja beidseitig der Wege befindet, kämen so ungefähr 120 km Strecke zusammen. Ein großer Posten im Haushalt von voraussichtlich über 600.000 EUR und ein wichtiger Schritt zu mehr Hochwasserschutz in Niederselters sei auch die Verlegung des „Bächel“. Für eine solche Maßnahme sind Förderquoten von bis zu 95 % durch das Land Hessen möglich. Anhand dieses Projekts erläuterte Zabel beispielhaft, welche bürokratischen Hürden genommen werden müssen. So sei für diese Maßnahme das Regierungspräsidium Gießen, die Untere Wasserbehörde und die Untere Naturschutzbehörde sowie Hessen Mobil einzubinden, bevor man überhaupt eine Förderung beim Land Hessen beantragen könne. Und selbst, wenn diese genehmigt sei, würden die Bauunternehmen derzeit aufgrund der hervorragenden konjunkturellen Lage nicht gerade „Schlange stehen“ und auf Aufträge der Gemeinde warten – damit verzögere sich die Umsetzung zusätzlich.
Für Eisenbach wurden ebenfalls konkrete Maßnahmen diskutiert und vorgeschlagen. So wurde im Bereich des Langgrabens auf Anregung von UWE der Durchlass bereits um 2/3 reduziert, um so einen gedrosselten Abfluss des Wassers zu erzeugen. Verdichtung der Böden und lange anhaltende Trockenheit wie in diesem Sommer würden die Abflusssituation jedoch deutlich verschärfen.
Wichtig sei außerdem, die Einläufe zur Kanalisation freizuhalten. So ist bspw. der Einlass am Clemens-Langenhof-Brunnen häufig mit Geschwemmsel zugesetzt. Hier wurde inzwischen jeder 2. Stab entfernt und zusätzlich ein Geschwemmselfang installiert. Auch dies erfordere eine ständige Kontrolle und Reinigung durch den Bauhof.
UWE-Fraktionsvorsitzender und Landtagskandidat Schorsch Horz sowie Ortsvorsteher Lo Siegmund regten an, dass analog zum „Tag der Umwelt“ ein- oder mehrmals jährlich Freiwillige die neuralgischen Punkte in einer gemeinsamen Aktion abfahren und reinigen könnten. Eine erste Anleitung durch den Bauhof oder das Bauamt sei allerdings erforderlich. Siegmund betonte: „genau das ist doch unsere Stärke, das macht die Bürgerinnen und Bürger in Eisenbach aus, dass wir uns aktiv kümmern und solche Projekte auf die Beine stellen können. Es geht hier nicht darum, den Bauhof oder die Gemeinde von ihren Aufgaben zu entbinden, es geht um Hilfe zur Selbsthilfe, um Prävention und um aktiv praktizierte Nachbarschaftshilfe.“
Auf die Frage aus dem Publikum, wann das Gutachten zur Hydrodynamik fertig sei, antwortete Zabel: „Wir rechnen mit einer Fertigstellung gegen Ende des Jahres, mit der Umsetzung der daraus abgeleiteten baulichen Maßnahmen können wir dann voraussichtlich im Jahr 2020 beginnen“.
Die Befürchtung, dass das neue Baugebiet „Schulweg“ die Kanalisation im alten Ortskern bei Starkregen zusätzlich über Gebühr belaste, konnte ausgeräumt werden. „Die Ableitung von Regen- und Schmutzwasser aus dem Baugebiet erfolgt getrennt, das Regenwasser belastet die Kanäle im Ortskern also nicht, denn dieses wird direkt in den Eisenbach geleitet“, so Zabel.
Ob es geplant sei, den Querschnitt der Rohre im Ortskern anzupassen und neue Rohre verlegt würden, wollte ein weiterer Teilnehmer wissen. Denn in den jüngeren Baugebieten seien teilweise Rohre mit einem Durchmesser von bis zu 40 cm verlegt, während im tiefer gelegenen Ortskern teilweise noch Rohre mit kleinerem Durchmesser die Ableitung bewältigen müssten. Dass dies bei Starkregen nicht funktioniere, sei doch klar. Ortsvorsteher Siegmund ergänzte die Frage und betonte: „Wenn Tiefbauarbeiten ausschließlich zur Sanierung und zum Austausch der Rohrleitungen nötig sind, dürfen die Anwohner nicht mit einer Kostenbeteiligung laut Straßenbeitragssatzung belastet werden!“ Zabel erwiderte: „Wenn es sich um eine reine Kanalerneuerung handelt, zahlt die Gemeinde. Nur, wenn auch der Straßenkörper erneuert werden muss, werden die Anwohner anteilig und satzungskonform an der Straßensanierung, jedoch nicht an den Kanalarbeiten, beteiligt“.
Ein weiteres Thema war das Anlegen von Blühwiesen zum Schutz der heimischen Insekten. Um dem Insektenschwund entgegenzuwirken, habe die Gemeinde zunächst an jedem Ortseingang eine Blühfläche vorgesehen. Aufgrund der Trockenheit seien diese derzeit nicht besonders ansehnlich, räumte der Bauamtsleiter ein. Weiter führte Benjamin Zabel aus, dass bei einzelnen Insektenarten ein Bestandsschwund von bis zu 80% in den letzten Jahren zu verzeichnen sei. UWE-Vorsitzender Hundler erwähnte, dass er berufsbedingt viele Autobahnkilometer im Jahr zurücklege, jedoch immer seltener seine Windschutzscheibe von Fluginsekten reinigen müsse. Diese Beobachtung teilten viele Anwesende. Auch die großflächige Abdeckung von Böden durch Planen oder die Gestaltung der Vorgärten mit Stein- und Geröllflächen entziehen den Insekten Lebensraum und Nahrungsquellen. Ortsvorsteher Siegmund empfahl eine größere Toleranz gegenüber den eigenen Ansprüchen zugunsten der Natur bei der Gartenpflege: „Die wenigsten spielen im Vorgarten Golf, aber der Rasen ist trotzdem raspelkurz geschnitten. Unser ästhetisches Empfinden bei der Gartengestaltung und die natürlichen Bedarfe von Insekten und anderen Kleintieren sind manchmal nicht sehr kompatibel. Vielleicht kann man ja die eine oder andere Ecke mal bewusst stehen lassen“ und Zabel ergänzte: „man wird sich wundern, welche Artenvielfalt sich auch auf kleinstem Raum entwickelt“. Siegmund regte ferner an, rund um die Straßenbäume seitens der Gemeinde ebenfalls Blühpflanzen auszusähen.
Die Bitte eines Teilnehmers aus Haintchen, die Gemeinde möge doch, wie häufig andernorts zu sehen, die Ortseingänge mit Blumenbeeten verschönern, konnte Zabel nicht erfüllen. Dazu sei der Bauhof personell nicht in der Lage. Da sich trotz mehrfacher Aufforderung nur sehr wenige „Baumpaten“ gefunden hätten, die die Pflege der Straßenbäume privat übernehmen, könne man davon ausgehen, dass auch für solche Anpflanzungen keine Pfleger in der Bevölkerung gefunden würden.
Prof. Dr. Andreas Gattinger, ortsansässiger Landwirt, meldete sich zum Ende der Veranstaltung noch mit einem vehementen Plädoyer für den Konsum regional erzeugter Lebensmittel und für einen bewussten und schonenden Umgang mit lokalen Ressourcen zu Wort. „Weniger als 5% der Lebensmittel, die bei uns auf den Tisch kommen, sind lokal produziert“, so Gattinger. Außerdem seien Heckenanlagen als Hochwasserschutz und gegen die Erosion von Böden sinnvoll.
Nach einem intensiven, offenen und informativen zweistündigen Austausch beendete Jürgen Hundler gegen 21.30 Uhr die Veranstaltung, lud alle Anwesenden herzlich zur Jahreshauptversammlung von UWE im November 2018 ein und wünschte allen einen guten Heimweg.