Das Thema der regenerativen Energien wird auch in den Selterser Gremien immer wieder kontrovers diskutiert. Eigentlich sind ja irgendwie alle dafür – aber…

Das „Aber“ ist manchmal berechtigt, manchmal nur vorgeschoben und manchmal einfach lächerlich. Lächerlich war es bei der Debatte um die Windkraftanlagen. Hier haben manche Gemeindevertreter der Bevölkerung ernsthaft versichert, dass die Installation der Windkraftanlagen von den gemeindlichen Gremien hätte verhindert werden können. Blanker Unsinn. Da es nie um Anlagen auf Gemeindegrund ging, war die Debatte völlig überflüssig – es ging immer nur darum, ob die Rotoren einen Teilbereich der Selterser Gemarkung überstreichen dürfen. Der Standort der Windkraftanlagen war immer außerhalb der Gemarkungsgrenzen und somit nicht im Zuständigkeitsbereich der Entscheidungen unserer Gemeindevertretung. Wir haben darüber mehrfach in unserem Online-Auftritt berichtet.

Inzwischen gibt es vermehrt Anfragen von Investoren zur Installation von Freiflächen-Photovoltaik (PV). Da gibt es prinzipiell zwei unterschiedliche Konzepte. Einerseits die, zum Beispiel von der Autobahn nahe Erbach bekannte Variante der horizontal installierten PV-Anlage. Eine zweite Möglichkeit ist die vertikale Installation von PV-Panels, die sogenannte „Agri-PV“. Hier werden die Solarmodule in ausreichendem Abstand vertikal – also aufrecht – auf Agrarflächen aufgestellt. Der Vorteil ist, dass der Landwirt zwischen den Reihen der Module nach wie vor Ackerbau betreiben kann. Die Abstände sind groß genug, um mit landwirtschaftlichem Gerät das Feld wie gewohnt zu bestellen. Der Nachteil ist, dass die Module aufgrund ihrer aufrechten Position nur die Morgen- und Nachmittagssonne zur optimalen Energieerzeugung nutzen. Damit ist der Wirkungsgrad etwas geringer als bei den horizontal angebrachten Modulen. Andererseits können die Agri-PV Anlagen genau dann Energie ins Stromnetz einspeisen, wenn die anderen Anlagen nicht mehr oder nur noch im geringeren Maße Strom erzeugen. Und gerade morgens und abends benötigen die Haushalte besonders viel Strom, denn dann sind die meisten Menschen auf dem Weg oder eben zurück von der Arbeit und benötigen Strom für Kaffeemaschine, Herd, Fernseher, Licht, Rasenmäher oder Playstation. Oder was auch immer.

Beide Varianten haben also ihre Vor- und Nachteile, gemeinsam ergänzen sie sich optimal.

UWE befürwortet den Ausbau erneuerbarer Energien und findet auch den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik gut. In der Gemeinde Selters gibt es bereits jetzt Bereiche im Regionalentwicklungsplan (der von allen Fraktionen im letzten Jahr bewertet und kommentiert werden konnte und abgenickt wurde), die für den Einsatz von Freiflächen-Photovoltaik bevorzugt ausgewiesen wurden. Diese sind noch überschaubar und erweiterungsfähig, aber es wäre ein Anfang, wenn die Gemeinde damit aktiv auf mögliche Investoren zuginge, um entsprechende Verträge abzuschließen, die nicht nur dem Investor und dem Grundeigentümer mehr Geld, sondern auch der Selterser Bevölkerung einen Vorteil bei der Stromversorgung brächten, sei es in Form von geringeren Strompreisen oder in Form von der Möglichkeit, Anteile an einer Genossenschaft o. ä. zu erwerben. Das sollte in den Gremien – allen voran im Bauausschuss und im Gemeindevorstand – mal ernsthaft diskutiert werden. Und dann erwarten wir Vorschläge und Konzepte, wie dies konkret gestaltet werden kann. Hünfelden hat es vorgemacht. Bislang ist es leider so, dass die Gemeinde Selters von Anfragen von Privatpersonen und Investoren in Zugzwang gebracht wird. Das möchten wir gerne umkehren und die Gemeinde in die Lage versetzen, selbst auf Investoren zuzugehen und Angebote zu machen. Noch ist die Zeit dafür günstig. Hierzu benötigt es allerdings eines Konsens der Gremien und der Verwaltung und einer Mehrheit der Fraktionen in der Gemeindevertretung.

Und jetzt kommen wir endlich zur Überschrift des Beitrags: Der Ortsbeirat Niederselters hat in seiner Sitzung am 17. Juli 2023 die Installation einer Freiflächen-PV im Bereich der Autobahn befürwortet. Dies wurde im Protokoll der Sitzung festgehalten. Dort steht:

TOP 5

Bauleitplanung der Gemeinde Selters (Taunus) im Ortsteil Niederselters; hier: Beratung zum Punkt 8 der Gemeindevertretersitzung am 19.07.2023

Der Ortsbeirat berät über die genannte Bauleitplanung. Beschluss: Der Ortsbeirat lehnt die Bauleitplanung von einer Photovoltaik-Freiflächenanlage in der Gemarkung Niederselters, Flur 9, „Auf dem Hübrich“, Flurstück 72,73,74,75,78/3,79,80,81/4,82,83,84 sowie „Am Langenrain „Flurstück 85,86,87 und 88 ab. Es wird um Prüfung einer anderen freien Grünfläche mit weniger ertragreichem Boden gebeten. Abstimmung: 1 Ja-Stimme 4 Nein-Stimmen 1 Enthaltung. Entspricht: mehrheitlich abgelehnt.

Der Ortsbeirat hat also abgelehnt, die Bauleitplanung zu einer Freiflächen-PV abzulehnen. Das bedeutet, er stimmt der Bauleitplanung zu. Um es zu verdeutlichen: Ich frage meinen Freund, ob er es ablehnt, seine Frau in der Öffentlichkeit zu küssen. Er sagt, „Nein“. Also würde er seine Frau öffentlich küssen. Schön für ihn und seine Frau und ihre Beziehung. Genau das ist der Trick der doppelten Verneinung. Wenn ich eine negative Formulierung ablehne, stimme ich zu. Da im Beschlussvorschlag des Ortsbeirates Niederselters stand, dass die Bauleitplanung abgelehnt werden soll und vier Ortsbeiratsmitglieder gesagt haben „Nein, das soll nicht abgelehnt werden“, wurde der Bauleitplanung mehrheitlich zugestimmt.

Das war vermutlich nicht so gedacht und auch wir haben uns darüber gewundert (und im Sinne einer nachhaltigen Energiewende durchaus darüber gefreut), aber so steht es jetzt halt im Protokoll der Sitzung vom 17. Juli 2023. Sollte das nicht nachträglich korrigiert werden, bleibt es bei dem Beschluss.