Was ist eigentlich mit unserer Gesellschaft los? Wie gehen wir miteinander um? Warum erstarken die Extreme?
Diese Fragen habe ich mir nach der Informationsveranstaltung zum Abwahlantrag des Bürgermeisters Subat gestellt. Sieben Mitglieder des Vorstands und 23 Gemeindevertreter erklären sich und bemühen sich, ihre Beweggründe offenzulegen. Dann passiert Folgendes: Eine junge Frau aus Münster steht auf und sagt: „Ich habe das Gefühl, hier wird gelogen, dass sich die Balken biegen.”
Ich war geschockt. Als sie zurechtgewiesen wurde, setzte sie noch einen drauf und sagte, das sei ihre Meinung, als ob man damit alles rechtfertigen könne. Für mich endet Meinungsfreiheit dort, wo andere in ihren Grundrechten angegriffen werden.
Leider spiegelt das für mich unsere aktuelle Situation in der Gesellschaft wider: In Niederselters weht seit kurzem eine AfD-Fahne an der B 8, im Bundestag wird gepöbelt, dass sich die Balken biegen – und dann erlebe ich es hier selbst hautnah. Wir diskutieren nicht mehr, Fakten und Erfahrung zählen nichts mehr. Auf Expertise gibt man nichts, Wissenschaftlern vertraut man nicht, Politiker werden diffamiert – wer am lautesten schreit, hat recht. Es wird mit Dreck geschmissen.
Wir, die Gemeindevertreter, haben unsere Aufgabe ernst genommen und müssen uns dafür ein Setzen 6 gefallen lassen (so stand es auf einem Plakat einiger Münsterer bei der Gemeindevertretungssitzung, als der Abwahlantrag beschlossen wurde). Und dann werden wir auch noch der Lüge bezichtigt, wenn wir Fakten darlegen, die vielleicht gar nicht hätten dargelegt werden dürfen. Die Mitarbeiter:innen der Gemeinde werden wie Dinge behandelt. Es wird infrage gestellt, warum sie gekündigt haben oder sich negativ geäußert haben. Gemeindevorstandsmitglieder und Gemeindevertreter:innen, die sich ehrenamtlich viele Stunden für die Gemeinde einsetzen, engagieren sich und sorgen sich um das Wohl der Gemeinde, werden angepöbelt – das ist unter der Gürtellinie.
So können wir nicht weitermachen. Wir müssen uns erheben und laut werden. Nie wieder ist jetzt!
Den Abwahlantrag zu stellen, war richtig.
Richtig, so können wir nicht weitermachen!
Es wird mit Dreck geschmissen???? Den Dreck aufgehoben, haben aber nicht die Bürger und Bürgerinnen in der genannten Sitzung.
Schuldzuweisungen und alle Unzulänglichkeiten nur auf die Person des zurückgetretenen Bürgermeisters zu projezieren, ist nicht richtig, uns so kommt es auch an. Es gibt mehr als einen Verantwortlichen für das Dilemma, in unserer Gemeinde. Etwas mehr Selbstkritik vom Vorstand hätte ich erwartet. Auch die gesamten gemeindlichen Vertreter tragen Verantwortung (ich zähle mich dazu) und sollten ihre Rolle im Umgang miteinander und in den Gremien vielleicht mal überdenken. Nur so kann man Extreme ausbremsen.