Freitags für den Klimaschutz – richtig so!

Von Lothar Siegmund

Gut, das ist mal wieder kein kommunalpolitisches Thema, aber irgendwie betreffen der Klimaschutz und die Bewahrung unserer Umwelt ja uns alle – auch hier in Eisenbach und in der Gemeinde Selters.

Wobei ich gleich zu Beginn der Glosse klarstellen muss: Die Kinder und Jugendlichen, die an Freitagen zu diesen Kundgebungen gehen,  haben meine volle Sympathie. Sollen sie doch Physik, Mathe oder Reli „schwänzen“, es geht immerhin um ihre Zukunft und um einen Planeten, den wir ihnen hinterlassen.  Wenn Dürreperioden in den gemäßigten Breiten, Starkregen und Hagel die Ernten verwüsten, die Meere durch Temperaturanstieg und Umweltverschmutzung ihrer Rolle als globale Klimaanlage nicht mehr gerecht werden können und hunderte von wissenschaftlichen Studien den CO2-Ausstoß hierfür als erheblichen Faktor identifizieren, dann lasst die kommende Genration uns daran erinnern, dass sie damit nicht einverstanden ist. Das ist ihr gutes Recht und es ist ihre Pflicht. „Wir“ haben es ja bislang nicht auf die Reihe gekriegt, eine Trendwende zu schaffen. Die durchschnittlichen Jahrestemperaturen steigen weiter, der Meeresspiegel auch.

Leider und überflüssigerweise kommen dann sogenannte „erwachsene“ Menschen und posten auf Facebook und anderen sozialen Medien Bilder, auf denen Jugendliche aufgefordert werden, anstatt zu Freitagsdemos zu gehen, den Müll auf der Straße oder in Grünanlagen aufzusammeln oder sie verfassen Texte, in denen man als Erwachsener den wertvollen Rat gibt, auf die Nutzung des Smartphones zu verzichten (besonders glaubwürdig und vorbildlich, wenn man so etwas selbst auf Social Media postet!!)oder sich nicht mehr von Mama oder Papa mit dem SUV zur Schule fahren zu lassen (wer hat die denn gekauft? Und wer fährt?)und natürlich insgesamt denjenigen Jugendlichen, die sich auf den Freitagsdemos tummeln unterstellt, sie würden ja „nur“ die Schule schwänzen – ich finde das sehr erstaunlich. Mal abgesehen davon, dass Wetter und Klima hier gerne völlig wirr und sinnlos durcheinandergewirbelt werden. Aber auf solche Feinheiten kommt es den „Kritikern“ ja auch meist gar nicht an.

Wer weiß, wie hoch heute der Druck von Eltern und Gesellschaft ist, möglichst gute Noten zu schreiben und einen überdurchschnittlichen Abschluss am Ende der schulischen Laufbahn zu haben, wird anders darüber denken. Ja, vielleicht sind ein paar „Schwänzer“ dabei – na und? Es ist auch deren Umwelt.

Es geht um Aufmerksamkeit. Diese wollen jene Jugendlichen erzielen, die an den Freitagsdemos teilnehmen. Welche Art von Aufmerksamkeit können Schüler*innen erzeugen? Sie können nicht die „Arbeit“ niederlegen, wie es Lokführer, Piloten, Flughafenbodenpersonal oder Angestellte im Pflegedienst tun können. Diese und viele andere Berufsgruppen können streiken und damit ihrem Anliegen (meist Lohnerhöhung) direkt Ausdruck verleihen, denn wir alle oder zumindest viele bekommen es mit: Züge fallen aus, man steht in langen Schlangen an der Gepäckabfertigung, die Oma/der Opa wird nicht wie gewohnt versorgt. Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Und die Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss, denn wir ärgern uns über ausgefallene Bahnverbindungen und den ganzen anderen „Scheiß“, äußern aber auch bisweilen Verständnis für die Belange der Streikenden. Den Schüler*innen bleibt nicht viel, um öffentliches Bewusstsein zu erzeugen. Ob sie nun an einem Samstag oder Sonntag streiken oder auch nicht interessiert – auf gut deutsch gesagt – keine Sau. Nur die Verweigerung der allgemeinen Schulpflicht kann etwas Aufmerksamkeit erzeugen. Und offensichtlich haben sie ja Erfolg, sonst würden sich nicht so viele Menschen bemüßigt fühlen, diese Demonstrationen zu kommentieren und sich zu beschweren. Insofern haben die Kids aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive alles richtig gemacht. Chapeau! Da können Hans und Franz lamentieren und kritisieren, ich sage: macht weiter so! Diejenigen, die auf Facebook Bilder posten und den Ratschlag geben, ihr solltet mal bitte, anstatt zu demonstrieren, einen Müllsack nehmen und die örtlichen Grünanlagen säubern, habe ich jedenfalls noch nie bei einem „Tag der Umwelt“ mit Greifer und Handschuhen hier gesehen. Und die größten „Entsorgungsdreckschweine“ in der Gemarkung sind sicherlich auch keine Kinder und Jugendlichen – die haben nämlich in der Regel keine Kühlschränke, Autoreifen oder PVC-Böden, die sie im Wald wegschmeißen. Also liebe Jugendlichen: zieht euer Ding durch. Lasst euch nichts einreden. Lasst euch kein schlechtes Gewissen machen. Protestiert und fordert laut das Recht auf eine lebenswerte Umwelt. Was ihr dann daraus macht, ist euer Ding!

Noch eine Bemerkung zu Herrn Lindner, das ist die F.D.P.-Ikone, die sich gerne mal jugendlich-dynamisch und schwarz-weiß in Feinripp ablichten lässt: Wenn dieser Politiker meint, das Thema Klima müsse ja wohl „Experten“ vorbehalten sein, dann impliziert diese Aussage, dass er

a) diesen Jugendlichen Expertenwissen per se abspricht und

b) Expertenwissen für sich und die Politik reklamiert.

Beides ist Unsinn. Erstens können auch Jugendliche auf die Erkenntnisse und Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien zugreifen. In Zeiten des Internets ist dies nicht sehr schwierig und Jugendliche haben eine oftmals höhere Kompetenz im Umgang damit als b/w-Ikonen des (vermeintlichen) Liberalismus. Gerade Asperger Autisten sind außerordentlich offen für die Fokussierung auf ihnen wichtige Spezialgebiete. Zweitens erhalten auch die Politiker*innen ihre Informationen nicht aus göttlicher Eingebung oder qua Geburt sondern aus öffentlich zugänglichen Quellen und von Spezialisten (hoffentlich -bei manchen bin ich mir nicht so sicher). Mit dieser völlig überflüssigen und abwertenden Aussage hat Herr Lindner leider die Chance vertan, die F.D.P. wieder ein kleines Stückchen in die Richtung zu rücken, für die Liberale in der Bundesrepublik auch einmal gestanden haben, nämlich für ein Vordenken in Richtung Umweltschutz. Immerhin war die F.D.P. die erste Partei, die Umweltschutz in den Freiburger Thesen 1971 festgeschrieben und ihre Bemühungen und Forderungen dort dokumentiert hat. Davon ist im neoliberalen Zeitalter nicht mehr viel übrig geblieben. Schade.

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